Münchener Abendzeitung – 10. März 1987
Galerie der Zeichner, Stuckvilla, München, 1987
AN TABU-THEMEN RÜHREN ! - GOTTFRIED HELNWEIN MIT NEUEN ARBEITEN IN DER GALERIE DER ZEICHNER
Aktuelles von Gottfried Helnwein. Mit seinen fotorealistischen Gouachen hatte der Wiener (geboren 1948) weltweit seinen plakativen Horror verbreitet. Heute Abend um 19.00 Uhr eröffnet Hellmut Grill in der Galerie der Zeichner (Stuckvilla) eine Ausstellung mit einem ganz neuen Helnwein: Farbstift-Zeichnungen und Fotoserien (bis 10.4.).
Der Schrecken ist geblieben, nur subtiler geworden. In fluoreszierend gestrichelten Zeichnungen erzählt Helnwein mehr oder minder intime, surrealistisch verschlüsselte Alptraum-Szenen, die Fotoarbeiten übersetzen seine malerische Frühzeit (mit vielen Anspielungen zum Thema Nationalsozialismus) in ein Medium, das für Helnwein früher nur die Basis seiner Arbeit war.
Helnwein:
"Fotografiert habe ich ja immer. Aber vor zwei Jahren als ich aus Wien weggegangen bin und nach Deutschland zog, habe ich Fotos erstmals direkt benutzt.
Ich bin immer konzeptionell vorgegangen und war nie ein Maler, der aus reinem Spaß an der Malerei gearbeitet hat. Ich wollte immer etwas auslösen, dafür setzte ich ein spezifisches Medium ein. Jetzt versuche ich möglichst mehrere Medien miteinander zu kombinieren. Ich finde es spannend dabei, skrupellos vorzugehen und dabei Tabu-Themen zu berühren. Deshalb auch die Nazi-Motive. Das scheint mir sehr aktuell - verbal kommt man an dieses Thema ja kaum heran. Ich greife dabei ganz bewusst die Klischees auf, das Kitschige, das Widerliche.
Die Zeichnungen entfernen sich noch weiter von dem, was als Helnwein-Stil populär geworden ist
Helnwein:
"Gezeichnet habe ich auch schon immer - aber mir ist einfach die große Palette der möglichen Medien wichtig, auch um die Identifikation mit einem bestimmten Stil zu überwinden. Bei den früheren Arbeiten hat es mich vor allem interessiert, mittels der Reproduktion mich millionenfach in den kommerziellen Markt zu schmuggeln, was mir schließlich gelungen ist."
In Wien sind Sie berühmt geworden, jetzt sind Sie in die deutsche Provinz gezogen, warum?
Helnwein:
"Wien ist für mich eine abgeschlossene Sache. Als Herausforderung ist diese Stadt gut - entweder man scheitert oder man schafft's. Aber irgendwann sind eigentlich alle Künstler, zumindestens für eine gewisse Zeit, abgehauen.
Wien ist sehr eng, eine Welt in sich. Deutschland ist offener."
Und was sprach für Burgbrohl?
Helnwein:
"Ich habe geschaut, was liegt geographisch relativ zentral? Wo gibt es ein paar Flughäfen in der Nähe? Köln als wichtigste Kunst-Stadt hat mich interessiert. -Und in der Natur wollte ich auch sein.
Von Wien ist alles weit, von hier alles ganz nah. ..."
Gottfried Helnwein, neue Arbeiten in der Galerie der Zeichner, Stuckvilla, München
10.Mar.1987 Münchener Abendzeitung Gert Gliewe
http://www.gottfried-helnwein-interview.com/