Süd-Ost Tagespost – 21. Januar 1982
Monographie im Orac -Pietsch Verlag, Wien, 1982
ALS FREMDER UNTER FREMDEN LEBEN
Dieser junge Künstler malt das lautlose Sterben voll poetischer, melancholischer Schönheit.
Fuer mich ist er gleichsam ein Handke unter den Malern,
ein exakter Beobachter, der bei seinen Mitmenschen die Innenhaut nach aussen stülpt und sie somit demaskiert.
Schön und hässlich sind relative Begriffe.
Es ist sehr zweifelhaft, ob wir "schön" und "hässlich" immer unterscheiden können, da es das eine ohne das andere nicht gibt.
Gottfried Helnwein,Jahrgang 1948, Wiener ist ein ästhetischer Gruselspezialist, ein fotografisch genau arbeitender Chirurg, dessen Skalpell der Pinsel ist.
Viele seiner Bilder sind als Zeitungs- oder Zeitschriftencovers sozusagen über Nacht weltweit bekannt und gefragt geworden.
Helnwein sucht den ständigen Dialog mit seinem Publikum, versucht die Reaktionen des Betrachters seiner Schockbilder zu ergründen, dessen abgrundtiefe Seelenängste und dessen permanenten Agressionstrieb blosszulegen. Nicht vor dem Emotionellen , sondern vor dem emotionell Unbeteiligten fürchteter sich.
Wer nämlich seine Gefühle ständig unter Kontrolle hat , der hat sein Menschsein eingebüsst.
Dieser junge Künstler malt das lautlose Sterben voll poetischer, melancholischer Schönheit.
Für mich ist er gleichsam ein Handke unter den Malern, ein exakter Beobachter, der bei seinen Mitmenschen die Innenhaut nach aussen stülpt und sie somit demaskiert.
Die gemalten Schreie bleiben ungehört, zerbrechen klirrend an unsichtbaren Wänden
und gefrieren in der Kälte der Einsamkeit.
Der Mörder ist zugleich auch der Ermordete, im unschuldigen Kind steckt der unberechenbare Dämon. Alle sind gespaltene Existenzen, sadistische Masochisten,deren Gesichter von einer hilflosen und erbarmungswürdigen Hässlichkeit geprägt sind.
Interessant ist auch das Lachen von Helnweins Menschen, hintergründig, höhnisch, erbarmungslos, berechnend und selbstzufrieden trägt es der Lachende als Maske zur Schau. Im Augenblich des Lachens offenbaren sie ihre fettleibige und anspruchslose Seele, die für sensible Gefühlsregungen unempfindlich geworden ist.
Sie haben ihre Verletzlichkeit wie einen Mantel an der Garderobe abgegeben und ihre Mitgefühle aud ein Mindestmass reduziert. Aus Menschen sind Menschenhüllen geworden, austauschbar und genormt.
H.C. Artmann, Barbara Frischmuth und Wolfgang Bauer haben sich von seinen Bildern zu Texten inspirieren lassen, Botho Strauss stellte einige Arbeiten zur Verfügung, um dieses grossformatige Werk subjektiv zu dokumentieren.
Die sehr persönliche Biographie dieses talentierten Künstlers wird sicherlich so manchem den Zugang zu dessen Bildern erleichtern.
Gottfried Helnwein setzt sich in seiner Kunst mit der Spezies Mensch auseinander, die nichts sehen, nichts hören und nichts fühlen will, weil er selbst nämlich zuviel sieht, hört und fühlt.
Aus seiner übergrossen Empfindsamkeit sind Ab-Bilder einer uns fremd gewordenen Wirklichkeit, und daraus wiederum ist ein überaus interessantes Buch entstanden.
Zum Erscheinen der Helnwein - Monographie im Orac -Pietsch Verlag, Wien
21.Jan.1982 Süd-Ost Tagespost G. Brugner-Rosenbaum