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HELNWEIN, Orac-Pietsch – 30. November 1980

HELNWEIN Monograph, Orac-Pietsch, 1981

H.C. Artmann über Gottfried Helnwein

von H.C. Artmann

Einer erstellt die Summe seiner Beobachtungen in dieser Welt der Patzer und Dämonen. Er vernimmt die Schreie aus den gekachelten Schreckträumen abseits einer satten Gesellschaft, die weder mit dem Laub der Bäume noch mit dem Grün der Laubfrösche noch mit den Froschaugen des Miterlebens zu schaffen haben will. Er aber hört manche, die da schreien bis ihnen die Gehirne zerspringen wie Lichtjahre, und hört andere, still vor sich Hinweinende, deren tropfende Tränen eines noch-hoffens mit dem abscheulichen Eisskalpell der Hoffnungslosigkeit seziert werden.

Schreien - was ist menschlich daran? Was bleibt an ihm menschlich? Der Kopf ist noch nicht vom Rumpf geschnitten, liegt aber bereits auf dem glatten flachen Porzellan des behänden Chirurgen. Eine plastische Operation? Eine drastische Transplantation? A surgical trick? Or a trickster disguised as a surgeon? Wer viel fragt, endet langsam. Solange man nicht eines Lebewesens Schädel mit kalten Feuerzangen schlägt bis dieser die Anfangsgründe des Platzens erlernt, mag praktisch angewandte Humanität halten - vielleicht bis Mitte Winter.

Nachdem die Schreie fertiggeschrieen sind, ringelt sich die tüllweiße Natter des Verbands um betroffene Glieder, eine gipsfarbene Hülle über einen Stadtplan voller Unfälle oder, kleiner noch, über die genauere Karte eines Viertels der Verletzungen, inneren, äußeren, über Adern, die sich zu schmerzblauen Seen ausweiten.

Los Angeles, Manhattan oder das suburbe Wien durch ein klinisch einwandfreies Sieb auf die melancholischen Reste eines infantilen Nässer gerüttelt erscheinen am Horizont, ein fröstelnder Stich durch die männliche Psyche, ein fiebriger durch die weibliche. Oder ist es der Pistolenschuss durch ein blutgefülltes Reagenzglas, das man wieder hinzukriegen sucht mittels saftigem Leukoplast?

Immer heißt es Recht haben und die Schatten des Unrechts verteidigen, Schatten, die wie Menetekel an knallharten Wänden sozialer Anstalten aufkommen, taugiftig, wundrosig, geschwollen, benarbt, auf Prothesen laufend, mit Armstümpfen flehend...

Um diese Zeit klagen viele, es ist Februar. Inzwischen ist es Mai bis Juni geworden, eine schreckliche Gasse vorbei an schillernden Rissen und Rinnsalen verschiedener Abgänge, durch Seitenwege, die verstopften Stirnhöhlen oder Nasen ähnelten, durch die engen Kanäle blutverlassener Venen. Einer notiert den neurotischen Austritt durch das antiseptische Fenster des animalischen Ablebens - kein noch so sauberer Mantel, der das verdecken kann.

zu den fedezeichnungen:

der mond mondelt

die sonn sohndelt

die tochter töchtert ab

opera ad acta

(Himmelfahrt, 1980, Tusche auf Papier)

in der tuchent

da ich unterm bette saz

kam der has eliphas

mit dem starken sinai

excelsis leo

bonjour theo

wo is die cleo

beim rodeo

ich hab ne suppe gesehen

die wad wunderscheen

drin konnt man baden gehen

vom kopf bis zu den zehn

es gezimt sich nicht

es gesalzt sich nicht

es gemehlt sich nicht

es gezuckert sich nicht

es gerosint sich nicht

es ist wie essig und öl

wie ein salat ohne haar

wie quark mit soße

wie tunke ohne danke

wie die stumme lanke

sri lanca bianca

ohne hemmert ohne hosen

ohne janka

taucht die ente taucht die hand

barchatin ist baz

astrologus die logische aster

dereisenhans und die austernlilli

nding

phrastus

dorant

erster greis: ein videorecorder

puppi sternenschnuppi

bei wien

elf zwelf zwölfaxing

alzdann gemmers an!

gemälde gehorsamst

rosi tante rosi nichte

petrus oleus

soldaten wohnen auf zitronen

nein redet die unke

steh bei mir diana

gottes motor für dich anna!

(Das Malheur, 1979, Tusche auf Papier)

Gottfried Helnwein, MONOGRAPH
1981 HELNWEIN, Orac Pietsch