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Rhein-Zeitung – 14. April 1989

Kresnik, Heidelberger Tanzensemble, "Ödipus", 1989

NUR KEINE EHRFURCHT

Heidelberg: Helnwein gestaltet Bühnenbild zu "Ödipus"

Kresnik, der wieder mit dem in Burgbrohl lebenden Maler Gottfried Helnwein zusammenarbeitet, zeigt nicht die geringste Ehrfurcht vor Sophokles: Die Aufführung benutzt den König Ödipus, um gegen den Mythos vom unausweichlichen Leid und schuldlosen Jammer des Seins zu protestieren.

Mit dem "Ödipus des Sophokles, inszeniert als choreographisches Theater, verabschiedet sich Johann Kresnik nach mehr als zehnjähriger Leitung vom Heidelberger Tanzensemble. Auch mit dieser Produktion verletzt er wieder den sogenannten "guten Geschmack".

Kresnik, der wieder mit dem in Burgbrohl lebenden Maler Gottfried Helnwein zusammen arbeitet, zeigt nicht die geringste Ehrfurcht vor Sophokles: Die Aufführung benutzt den König Ödipus, um gegen den Mythos von unausweichlichen Leid und schuldlosen Jammer des Seins zu protestieren.

Fünf den Verbrennungsöfen in Auschwitz nachempfundene Stahltore füllen die Bühne. Der Seher Teiresias ist wie ein orthodoxer Jude gekleidet, Laios wie ein Papst, Iokaste scheint einer Postkarte aus Lourdes entlehnt, Ödipus ist mit Stigmata beschlagen. Aus der Spannung zwischen Entdecken und Verbergen erwächst das mitempfindende Interesse des Zuschauers, dessen Position als lediglich Betrachtender Kresnik und Helnwein nicht zulassen möchten:

Der Zuschauer soll sich gleichzeitig als Täter, Opfer und Zeuge fühlen. Keine neue Ordnung wird proklamiert, auch keine positive Utopie. Kresnik halt einfach nur die Apokalypse fest, die sich um uns herum ausbreitet. Die Verhältnisse, sagt der Choreograph, sollen nicht so bleiben wie sie sind.

Mehr über Kresnik und Helnwein:
http://gottfriedhelnwein.homestead.com/kresnik.html

http://www.gottfried-helnwein-interview.com/