Die Welt – 14. März 1987
Die Welt, 1987
MUTTER SPIELT NICHT MIT
Zadek'sches "Mors Mors" fürs Publikum?
Noch bevor sich der Premieren Vorhang hob, sorgte Peter Zadeks "Andi", alias Uwe Bohm, für Gesprächsstoff, weil er für ein Plakat die Hosen runter ließ. Manche empfanden die blanke Kehrseite, die der junge Schauspieler zur Zuschauer-Werbung für das jüngste Spektakel im Schauspielhaus dem Betrachter entgegenhält, als Gag, häufiger als Ärgernis, manchmal auch als "Mors Mors" des Intendanten für das undankbare Hamburger Publikum.
Mit Bestürzung reagierte Lore Z., die Mutter des Jungen, dessen Geschichte die Idee für das Bühnenstück lieferte. Sie sah die Erinnerung an ihren Andreas in den Schmutz gezogen: "Mein Sohn hat sich so nie öffentlich gezeigt." Auch traf sie das Medienecho, als sie per einstweiliger Verfügung gegen das Plakat vorzugehen beschloß. Besonders trafen sie Unterstellungen, sie wolle aus einem Prozeß Kapital schlagen. Für sie sei das der zweite Tod ihres Sohnes.
Dabei hätte Frau Z., so ihr Anwalt, keinen Anspruch auf Entschädigung: "Sie kann das Schauspielhaus nur auf Unterlassung verklagen." Dort steht die freiwillige Beseitigung des Hinterteils zwar nicht zur Debatte. Doch wird die Idee, den Po mit einem schwarzen Zensurstreifen zu überkleben, nicht mehr goutiert. "Wir wollen", so Generalmanager Ulrich Schwab, "mit den Gefühlen von Frau Z. keine Publicity machen."
Diesen Gefühlen bekundet auch Plakat-Künstler Gottfried Helnwein Respekt, der "das Lebensgefühl, die Ohnmacht und die Sprachlosigkeit der Null-Bock-Generation auf den Punkt" bringen wollte. Deswegen war ihm der Po für die Pose wichtig. Daß er mit seinem "Andi"-Plakat provoziert, nimmt Helnwein in Kauf, sein Ziel sei es nicht gewesen. "Das ganze Schauspielhaus war erst von meinem Entwurf schockiert. Nach einiger Zeit hat man sich dann dafür begeistert."
Vermutlich muß man sich einfach an den Anblick gewöhnen, um so mehr, als Frau Z. nach dem ganzen Rummel nun doch nicht dagegen vorgehen wird. Wie ihr Anwalt erklärte, fiel die Entscheidung gegen rechtliche Schritte aus Rücksicht auf die Kosten und eine möglicherweise lange Verhandlungsdauer.
Wer sich dennoch an Uwe Bohms Kehrseite stört, dem ist vielleicht mit Ringelnatz geholfen, der bereits weise erkannte: "Auch auf die Dauer. Das ist von beiden Teilen der begehrteste, von dem man sagt: Das ist der allerwerteste."
14.Mar.1987 Die Welt J. Leithäuser