Pfaelzischer Merkur – 22. Juni 1992
Pfalzgalerie, Kaiserslautern, 1992
HELNWEINS KUNST, AUFRÜTTELND IN SZENE ZU SETZEN
Für seine beinahe manisch anmutende Absicht der Bewußtmachung ist Helnwein jedes Mittel und Format recht; die superlativischen Dimensionen der Arbeiten übersteigen in einigen Fällen das Fassungsvermögen selbst im geräumigen Museumsfoyer.
Was nun für Kaiserslautern zusammengestellt wurde und hernach im schweizerischen Thun zu sehen sein wird, zeigt einen gelungenen Querschnitt durch einige wichtige Werkphasen. Mit technischer Brillanz werden Menschen oder menschliche Gesichter vorgeführt.
Verletzlichkeit, hervorgehoben durch fotografische Verschärfung und Vergrößerungseffekte, irritiert durch den hautnahen Realismus der übergroßen Einzelportraits und zeigt eher das Ausgeliefertsein moderner Individualexistenz; dem Starkult der Massengesellschaft sind diese Bilder weniger förderlich.
Wider die Verdrängung arbeitet der gebürtige Wiener Gottfried Helnwein (Jahrgang 1948) mit seinem bewußt anti-intellektuellen Themenkreis. Vor sieben Jahren zog sich der ehemalige Hausner-Schüler aus der eng gewordenen Wiener Szene aufs Pfälzer Land zurück ? nicht aber in den Elfenbeinturm. Die Pfalzgalerie in Kaiserslautern hat nun ihrem Wahlbürger eine Ausstellung gewidmet, die wändefüllendes gesellschatlisches Engagement zeigt.
Wer kennt nicht jenes den Schock des Erschreckens und Ekels provozierende Plakat mit dem schreienden, durch Gabeln geblendeten Selbstportrait? Daß man es sich merkt, ist Hinweis genug auf das erfolgreich angestrebte Ziel, inhumane Wirklichkeit nicht verdrängbar werden zu lassen. Für seine beinahe manisch anmutende Absicht der Bewußtmachung ist Helnwein jedes Mittel und Format recht; die superlativischen Dimensionen der Arbeiten übersteigen in einigen Fällen das Fassungsvermögen selbst im geräumigen Museumsfoyer.
Was nun für Kaiserslautern zusammengestellt wurde und hernach im schweizerischen Thun zu sehen sein wird, zeigt einen gelungenen Querschnitt durch einige wichtige Werkphasen. Mit technischer Brillanz werden Menschen oder menschliche Gesichter vorgeführt.
Verletzlichkeit, hervorgehoben durch fotografische Verschärfung und Vergrößerungseffekte, irritiert durch den hautnahen Realismus der übergroßen Einzelportraits und zeigt eher das Ausgeliefertsein moderner Individualexistenz; dem Starkult der Massengesellschaft sind diese Bilder weniger förderlich.
Entlarvung statt stilistisch-ästhetischer Pose: Was sich konzeptuell bei Fotografien oder mit Spritzpistole akribisch nachgefertigten Einzeldarstellungen berühmter Persönlichkeiten (vom obligatorischen Andy Warhol über Michael Jackson bis hin zu den "48 Frauen") noch eher verhalten klassisch ankündigt, gleitet bei den vermummt-verletzten Bildnissen ins Alptraumhafte. Riesige Polaroids zeigen Kinder mit durch chirurgische Spangen verzerrten Gesichtern; kritisch statt kryptisch zeigen sich auch anti-idyllische Horrorszenarien wie auch "Muttertag" von 1990, bei dem in surrealer Überspitzung die Mutter gerade ihrem Kind ein Küchenmesser in den Körper gerammt hat. Das Penetrante und Makabre des ironischen Zitats wird kaum gemildert durch die baldige Selbstversicherung des Betrachters, mit einer gestellten Situation konfrontiert zu werden. Zum peinlichen Gefühl, eine intime Szene gestört zu haben, gesellt sich das Bewußtsein bloßgelegten kulturellen Klischee-Denkens.
Helnwein ist einer, der jede Gelegenheit nutzt, seine aufrüttelnde Kunst wirksam in Szene zu setzen. Um einen anteilnehmenden Dialog zwischen Künstler und Konsumenten zu gewährleisten, erklärte er Anfang der siebziger Jahre das Originalgemälde zum "Edelabfall" und trat für die Massenverbreitung von Werken ein.
Wo die Grenzen zwischen Kunst und politisch-gesellschaftlichem Appell verwischen, wird oft deren Unvereinbarkeit festgestellt mit dem Argument, daß Kunst überzeitliche Wahrheiten transportiere.
Der Helnweinsche Schutz gegen elitäre Gewissensversteifung nimmt eine Korrekturspange in den Mund statt ein Blatt davor.
Bis zum 5. Juli; empfehlenswerter, reich bebilderte Katalog.
Gottfried Helnwein, Pfalzgalerie, Kaiserslautern, 1992
http://www.gottfried-helnwein-interview.com/