helnwein archiv

Die Weltwoche, Zürich – 14. Mai 1992

Marlene Dietrich, 1992

SIE WAR NICHT EINE FRAU, SIE WAR DAS BILD DER FRAU

von Gottfried Helnwein

Der österreichische Maler und Fotograf Helnwein über seine eigenartige Freundschaft zu Marlene Dietrich.
In den letzten Jahren pflegten die Diva und der Maler regelmässigen Kontakt, Marlene Dietrich und Gottfried Helnwein. Gesehen haben sich die beiden jedoch nie. Gleichwohl wurden Helnwein und seine Frau Renate von ihr in alle Stimmungslagen und Reflexionen einbezogen - telefonisch und brieflich.

Pfalzgalerie Kaiserslautern; Kunstmuseum Thun – 1. Mai 1992

Pfalzgalerie Kaiserslautern; Kunstmuseum Thun , 1992

GOTTFRIED HELNWEIN

von Gisela Fiedler-Bender

Es ist der Mensch, ausschließlich der Mensch, das menschliche Antlitz, der vom Leben gezeichnete Mensch. Es geht Helnwein nicht um die schöne Oberfläche des Gesehenen, nicht um ästhetischen Genuß an der Natur und um eine Bestätigung herkömmlicher ästhetischer Normen.
Sein Blick geht tiefer, genauer, unter die Oberfläche, hinter die Fassade. Und was er sieht, ist das, was wir nicht sehen wollen, was wir verdrängen und ausklammern möchten.
"Vergessen, verdrängen bedeutet aber resignieren; nur Bewußtes kann verändert werden, Unbewußtes natürlich nicht. Und so werden durchaus revidierbare Dinge erst durch Verdrängung unveränderbar", schreibt der österreichische Tiefenpsychologe und Psychotherapeut Erwin Ringel
- er sieht in seinem Heimatland, das das Ursprungsland der Psychoanalyse, das Geburtsland Siegmund Freuds ist, "eine Brutstätte der Neurosen."
Konnte die Kunst der Wiener Aktionisten, konnten die Aktionen von Nitsch, Mühl und Schwarzkogler nur in Wien entstehen, sind sie zu erklären als Reaktion auf eine repressive Erziehung, auf eine konservative Grundhaltung?

Die Presse – 20. Februar 1992

"Macbeth", 1992

EIN STARKES STÜCK FÜR STARKE NERVEN

von Linda Zamponi

Mit Johann Kresniks "Macbeth" im Ronacher startet "Tanz 92"
In dem Wiener Maler und Aktionisten Gottfried Helnwein hat Kresnik den kongenialen Ausstatter. Ein blutroter Vorhang, davor ein Wassergraben, die kalkweiß ausgeleuchtete Bühne schließt den Hintergrund mit einem bedrohlich hohen Metalltor, durch das der Tod kommt und geht. Die gesichtslose Gestalt, die jede Szene beendet, leert emotionslos Kübel um Kübel Menschenblut in den Graben, zum Schluß wird es eine Badewanne voll sein, die sie fein säuberlich von der Blutspur des Verbrechens reinigt und ihre Hände in Unschuld wäscht.

Kronenzeitung, Wien – 20. Februar 1992

stage and costumes for Shakepeare's "MACBETH", 1992

HELNWEIN SCHOCKT MIT BLUTBAD

von Karlheinz Roschitz

stage and costumes for Shakepeare's "MACBETH", 1992

TANZ 92 im Ronacher: Start mit Kresniks "Macbeth". Sie lieben Schauder, Alpträume, Schocks. Wen wundert's, dass beide bei Shakespeares "Macbeth" zu einem wahren Höhenflug blutiger Phantasie abheben: Österreichs Schockmaler Gottfried Helnwein und der Kärntner Johann Kresnik, Bremens Tanztheaterchef und international bejubelter Choreograf, zeigten nun im Ronacher ihren Bremer "Macbeth". Ein Erfolg für "TANZ 92" - Organisator Gerhard Brunner.

Benedikt Taschen Verlag GmbH – 30. November 1991

Benedikt Taschen Verlag GmbH, 1992

GOTTFRIED HELNWEIN - HORROR AND THE TRANSCENDENT

von Andreas Mäckler

"Rock music, films and comic strips are the art of the 20th century: basic artforms that make a powerful impact, with elemental potency and intensity. These are the very qualities I have tended to miss in most approved works of high art. In comparison, the latter are generally bloodless and boring, and have little connection with real life and people." When Gottfried Helnwein made this assessment of contemporary art in 1990, he had long since shown in his own art that he was way ahead of his times. Yet again.

Mittelrheinmuseum, Koblenz – 30. November 1991

Johannes Rother, Intoleranz und Gewalt

ABOUT GOTTFRIED HELNWEIN II

von Johannes Rother

Intoleranz und Gewalt
Seit geraumer Zeit wird in der Bundesrepublik eine erschreckende gesellschaftliche Entwicklung verzeichnet: Misstrauen, Abneigung und Intoleranz allen Menschen gegenüber, die anders aussehen oder anders denken, scheint wieder allgegenwärtig. Hass auf Minderheiten manifestiert sich in brutalen Übergriffen und Attentaten. Symptomatisch für diese Geisteshaltung und ihre Konsequenzen steht für viele der Brandanschlag auf das Wohnhaus einer türkischen Familie in Solingen. In der Nacht auf den 29. Mai 1993 kamen dabei 5 Menschen ums Leben: Vier verbrannten in den Flammen, eine Frau starb bei dem Versuch, ihre Tochter durch einen Sprung aus dem Fenster vor dem Tod zu retten. Das Kind überlebte schwerverletzt.

Mittelrheinmuseum, Koblenz – 30. November 1991

Mittelrheinmuseum, Koblenz, 1992

DAS KIND IM FOCUS - ABOUT GOTTFRIED HELNWEIN I

von Johannes Rother

Gottfried Helnwein, 1948 in Wien geboren, gilt als einer der umstrittensten, aber auch bekanntesten bildenden Künstler der Nachkriegszeit.

Charity – 30. November 1991

Charity, 1992

FÜR KINDER

von Katja Behrens

Seit den frühen 70er Jahren schon spielt das KIND eine Hauptrolle in Helnweins Kunst; das geschundene, verletzte, bedrängte Kind in unserer Gesellschaft. Es sind die Narben und Verbände, die medizinischen Instrumente, die Schläuche und die Annäherungen der Erwachsenen, die die Kinder seiner Bilder deformieren. Sie fügen ihnen sichtbaren Schaden zu; von den "inneren Verletzungen" ganz zu schweigen.

Kölner Stadt-Anzeiger - Nr. 293, Kultur – 18. Dezember 1991

"48 Portraits", 1991

48 BERÜHMTE FRAUEN

von Sibylle Schatz

Gottfried Helnwein antwortet Gerhard Richter in der Galerie Koppelmann
Die folgende Geschichte reicht bis in die siebziger Jahre zurück.
Damals malte der Künstler Gerhard Richter eine Serie von 48 Porträts als deutschen Beitrag zur Biennale in Venedig. Mit den gleichformatigen, realistisch gemalten Abbildern bedeutender (männlicher) Persönlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts entstand ein streng formal ausgerichtetes Gesamtensemble, das nunmehr den Treppenaufgang des Kölner Ludwig-Museums flankiert.
1991, zwanzig Jahre später, präsentiert der nahe Köln lebende Künstler Gottfried Helnwein ein malerisches Gegenstück. Seine 48 gleichformatigen, realistisch gemalten Abbilder (in leuchtendem Rot statt in Richters stillem Grau) zeigen bedeutende weibliche Persönlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts.

EMMA – 1. Dezember 1991

"48 Portraits", 1991

48 PORTRÄTS

von Alice Schwarzer

Bis jetzt gab es sie nur einmal, die "48 Portäts von Persönlichkeiten, die die Moderne beeinflussten". Sie hängen in der Eingangshalle des renommierten Kölner Museum Ludwig, gemalt Anfang der 70er Jahre in fotorealistischer Manier von Gerhard Richter, 59. Die weniger nach inhaltlichen und mehr nach formalen Kriterien ausgewälten Porträts haben nicht nur einen Haken, aber den vor allem: sie zeigen ausschliesslich Männer. 20 Jahre später antwortete der Maler Gottfried Helnwein, 43, seinem Kollegen: Er malte die "48 Frauen-Persönlichkeiten". Die Wand im Museum, die den Männern gegenüberliegt, ist noch frei.